Von 5. bis 7. September 2014 fand das erste Startup Weekend Women Deutschlands in Stuttgart statt. Als neugieriger Kreativer habe ich mich natürlich dafür angemeldet – mal sehen, was da so entstehen kann. Von Bekannten und aus dem Internet kennt man ja diese Geschichten: Startup Weekend – Montags Job gekündigt – ein halbes Jahr später erfolgreicher Unternehmer.
Da auf der Website wenig eindeutige Informationen darüber zu finden waren, bin ich mit großen Erwartungen und noch größerer Motivation Freitag Abend direkt nach der Arbeit ins Literaturhaus Stuttgart gegangen. Okay, darüber dass es ein Startup Weekend für Frauen ist, bei dem sich aber ruhig auch Männer anmelden sollen, habe ich mal hinweggesehen. Wer mich kennt, weiß, dass Alice Schwarzer nie meine Freundin werden wird. Ich finde diese ganze Feminismus-Geschichte einfach albern. Ich sehe mich in den meisten Bereichen meines Lebens als Mensch – nicht als Frau. Liegt auch vielleicht an meiner Erziehung und an der Branche, in der ich arbeite.
Moderiert und organisiert wird das Wochenende von einem hochmotivierten Team aus jungen Unternehmern – die Art und Weise fühlte sich sehr amerikanisch an. Aufstehen und Double-High-Fives geben brauche ich persönlich nicht – meine Motivation entsteht in meinem Hirn. Trotzdem waren da viele engagierte Leute am Werk, die die Startup-Szene in Stuttgart voranbringen möchten.
Was allerdings nicht nur mich verwundert hat: die meisten aus diesem Team erwähnten mit keinem Wort, was sie selbst denn so machen, welches Start-up sie gegründet haben bzw. was sie qualifiziert, uns zu beraten und zu coachen. Sehr schade, denn einige wollen auch bei mehrmaligem Nachfragen in kleinen Gesprächen am Stehtisch dazu nichts sagen. Angeblich tut es nichts zur Sache … ich wüsste allerdings sehr gerne, wer welche Erfahrung mitbringt – so dass ich auch gezielt einzelne Personen zu speziellen Themen ansprechen kann.
Input und Ideen
Wir starten dann Freitag Abend mit drei ehrlichen Impuls-Vorträgen von Unternehmerinnen in das Wochenende. Nadine Antic von Global Flow, Andrea Pfundmeier von Boxcryptor und Maria Spilka von Mädchenflohmarkt berichten aus ihrem Unternehmer-Alltag und erzählen von der Gründungsphase, ihren persönlichen Herausforderungen und Erlebnissen. Spannend und informativ, welche Wege aus einer Idee entstehen können.
Dann kommen die Pitches: Jeder der eine Idee hat, darf diese innerhalb einer Minute vorstellen – danach vergibt jeder Teilnehmer drei Punkte und an den 10 beliebtesten Ideen wird dann das Wochenende lang gearbeitet. Hier muss ich sagen, dass ich viele Ideen nicht interessant fand, bzw. auf Anhieb fünf erfolgreiche Mitbewerber für die Idee hätte nennen können. Auch war ich enttäuscht von der Menge der Beratungs-Plattform- und App-Ideen. Lediglich zwei Produkt-Ideen waren dabei. Insgesamt eben recht wenige komplett neue, innovative Ideen, auf die ich ehrlich gesagt gehofft hatte.
Die Einbringer der besten Ideen suchten sich also nun ihr Team zusammen und die Arbeit konnte beginnen. Ich wusste recht schnell, wo ich mich anschließen wollte und mein Team hat effektiv und konzentriert an der Idee gearbeitet. Um 24 Uhr wurde die Location geschlossen – am Samstag ging es aber auch schon um 9 Uhr weiter. Wir füllten gemeinsam ein Business Model Canvas aus, definierten, wie wir uns von den bestehenden Mitbewerbern unterscheiden wollen und wären eigentlich soweit gewesen, dass wir in die Feinplanung hätten gehen können.
Hätten. Denn Samstag waren die Coaches und Mentoren unterwegs und haben die einzelnen Teams beraten. Und nach dem Gespräch mit einem Coach sind wir dann tatsächlich auf einen weiteren Mitanbieter unserer Geschäftsidee gestoßen, der die Inhalte und Bedingungen eben genau so formuliert, wie wir sie geplant hatten. Orientiert an dem Lean Business Model Vortrag am Vormittag hat unser Team dann einstimmig beschlossen, sich aufzulösen und die Idee aufzugeben, solange noch nicht zuviel investiert wurde.
Einige schlossen sich recht schnell anderen Teams an – drei von uns wurden von Coaches und Mentoren beraten. Nach vier Stunden brummte uns der Kopf, wir waren nur noch zu zweit und wussten gar nicht mehr, wie wir weitermachen sollten. Anderen Teams wollten wir uns nun Samstag Abend auch nicht mehr anschließen – einerseits, um die Diskussionen nicht auszubremsen, andererseits aber auch, weil wir gesehen hatten, dass diese noch gar nicht so weit mit ihrer Idee gekommen waren.
Schlussendlich haben wir dann unsere Idee wieder aufgegriffen und uns darauf konzentriert, zu überlegen, wie wir uns von dem direkten Mitbewerber unterschieden könnten, bzw. was wir schneller umsetzen könnten: Marketing und Kundengewinnung. In einer kompakten Session haben wir dann Sonntag ein neues Business Model entworfen und eine stichfeste Kalkulation aufgestellt. Innerhalb der letzten halben Stunde der Arbeitszeit sind dann noch die Folien für die 3-Minuten-Präsentation am Abend entstanden. Auf die letzte Minute genau haben wir sie eingereicht. Vielen Dank an dieser Stelle an Vanessa Weber, Thomas Lindauer, Raphael Stäbler, Martin Eggert und Sebastian Donath für die großartige Motivation und Unterstützung in der Schlussphase!
Präsentation
Die finalen Pitches fanden dann vor einer vierköpfigen Jury mit Dirk Rosenstock (EnBW), Anke Schmidt (Bürgschaftsbank BW), Kerstin Peinze (HP) und Marianne Tümpen (CPI Competence) statt – drei Minuten Präsentation, drei Minuten Fragerunde. Die Teams präsentierten ihre Ideen – manche noch ähnlich undurchdacht, wie am Freitag Abend, andere gut konzipiert. Einige Ideen hatten sich komplett verändert. Zum Schluss wurden drei Ideen mit Preisen bedacht. Es hatte leider den Anschein, dass es keine Rolle spielte, ob und wie weit das Konzept ausgearbeitet war oder ob der Businessplan funktionieren könnte. Schade auch, dass man für ein schon sehr konkret ausgearbeitetes Geschäftsmodell nur 6 Minuten Präsentationszeit bekommt – viele Aspekte der Planung konnten so einfach nicht vorgebracht werden.
Fazit
Ingesamt war es ein anstrengendes aber interessantes Wochenende. Ich habe viele motivierte Menschen kennengelernt und einen Blick über meinen eigenen Tellerrand werfen können. Die von mir erhoffte neue Idee mit tatsächlicher Umsetzung im Anschluss an das Wochenende blieb leider aus. Und: nicht nur ich hatte den Eindruck, dass für viele Teilnehmer der Fun-Faktor größer war, als das Interesse ernsthaft an einer Idee zu arbeiten, die man im Anschluss tatsächlich umsetzen könnte. Trotzdem – ich werde mich für das nächste Startup Weekend in Stuttgart (21.-23. November) wieder anmelden. Wer von euch ist dabei?