Klingt komisch ist aber so – Warum man bei Social Media auf Kinderarbeit verzichten sollte. Unter diesem Motto stand der Management Trendtag im Schloss Monrepos in der letzten Woche, zu dem mich Dr. Torsten Ambs, Inhaber von Mind Store Marketing und Dozent an der Akademie der Media, eingeladen hatte. Referenten waren neben ihm Robert Wauer, Geschäftsführer der azionare GmbH und Daniel J. Hanke von der Klenk & Hoursch AG.
»Wir brauchen wesentlich mehr mutige Manager, die in der Lage sind, mutig zu führen«, sagt Dr. Torsten Ambs. Mit dem Event sollen Top Manager für Social Media sensibilisiert werden. Sie sind es, die die Entscheidungen fällen. Einen Vorgeschmack dazu lieferte Ambs bereits mit seinem Vortrag Der WIRRklichkeitsRAUM oder: Warum Top-Manager ihr Social Media Know-How von ihren 14-jährigen Töchtern beziehen bei der 21. Social Media Night in Stuttgart. Dort wurde sein Vortrags-Tempo an der Twitterwall heftig kommentiert – doch wer viel zu sagen hat muss auch viel reden. 30 Minuten sind nur 30 Minuten.
Ich jedenfalls konnte aus den drei Vorträgen in Ludwigsburg so einiges mitnehmen. Einen kleinen Einblick in Form von kurzen Impulsen und Statements möchte ich gerne nun hier gewähren.
Like!
Wortschatzerweiterung: Das Gegenteil von einem Shitstorm ist ein Candystorm – nicht zu verwechseln mit dem, was zur Zeit auf den Karnevalsumzügen auf uns herabregnet. Erfunden wurde der Begriff übrigens für Claudia Roth, Bündnis 90 – Die Grünen. Wieder was gelernt.
Und was macht man eigentlich, wenn man eine supertolle neue Facebook-Seite oder ein Twitterprofil hat, aber die Zahl vor den Likes bzw. Followern noch im zweistelligen Bereich dümpelt? Fans kaufen! Wie bitte? Nein, das ist kein Scherz, man kann Fans kaufen. Die bringen einem aber im Prinzip gar nichts, sind es doch meistens inaktive Fake-Profile, die einem ihr Like geben. Bei Facebook kann dann sogar jeder in der Like-Statistik sehen, dass zum Beispiel 90% der Fans einer Seite aus Hanoi kommen.
Trotzdem, 15.000 neue Twitter-Follower für ein paar Euro hört sich verlockend an. Das hat Andreas Rother, Redakteur im Selbstversuch getestet. Hier kann man seine Geschichte ansehen.
Für alle, die es immer noch nicht mitbekommen haben, wie die neuen Vorschriften für die Titelbilder von Seiten aussehen: Bei allfacebook kann man das nachlesen. Die 20%-Text-Regel kann man hier ganz einfach testen.
Social Media Guidelines auch für Angestellte
Unangenehme Erfahrungen machen Firmen immer wieder mit Ihren Angestellten und diese dann wiederum mit Ihren Vorgesetzten, so Robert Wauer. Arbeitnehmer geben auf Facebook ihren Arbeitgeber an und posten öffentlich Kritik an diesem oder andere Dinge, die sich nicht mit der Firmenphilosophie vertragen. Arbeitgeber müssen sich nicht öffentlich beleidigen lassen, wie ein Fall aus Hamm zeigt.
Die Graphsearch wird hier auch noch mehr an die Öffentlichkeit bringen, als manchem lieb ist. Nun kann man plötzlich nach Firmen suchen, bei denen Personen arbeiten, die Rassismus liken. Was kann man daraus lernen? Erstens sollte man besser überhaupt so wenig wie möglich öffentlich sichtbar posten. Zweitens ist der vermeintlich »private« Facebook-Account doch nicht so privat, wie gedacht. Firmen sollten daher Regeln für ihre Angestellten aufstellen, wie diese sich im Social Web verhalten sollen – auch im Bezug auf Interkationen mit öffentlichen Profilen ihres Arbeitgebers.
Ob mit Shitstorm oder Candystorm oder ohne – nicht im Social Web vertreten zu sein ist für die meisten Firmen heutzutage keine Option mehr. Es geht nicht um ROI (Return of Investment) – sondern um COI (Cost of Ignoring). Besser man setzt aktiv ein Budget für Social Media Marketing ein, als dass man unvorbereitet auf einen möglichen Shitstorm reagieren muss.
Wer auf einen Shitstorm vorbeitet sein will, sollte Regenschirm und Gummistiefel nicht vergessen
Daniel J. Hanke von Klenk & Hoursch fasst die Fehler, die man bei einem Shitstorm machen kann so zusammen: keine schnelle Reaktion, keine Abstimmung (kein Notfallplan), komische Sprache (im Vergleich zu sonstigen Posts), Löschen von Posts (anstatt sie nur auszublenden), die Fans als Verrückte abstempeln. Meist wird auch viel zu übereilt und unüberlegt reagiert. Manchmal ist es gut, die erste Welle abzuwarten – die Social-Media-Welt reguliert sich oft auch selbst, wie der Fall von PETA und Jägermeister zeigt.
Eine richtige Nutzung von Social Media wäre es, im Falle eines Shitstorms die Chance zur Tribe-Bildung zu nutzen. Im Social Web heißt es, füreinander da zusein: Die Fans sollen liken und sharen, die Site-Betreiber zuhören, was die Fans zu sagen haben und darauf reagieren.
»Können Sie nicht dafür sorgen, dass das Internet abgeschaltet wird? Nein? Was ist die zweitbeste Lösung?«
Ein geregeltes Vorgehen für den Ernstfall sollte jedes Unternehmen, das im Social Web aktiv ist, parat haben. Doch wie geht das? Man kann ja nicht alle wahrscheinlichen Möglichkeiten durchspielen. Vielleicht nicht alle, aber einige sicher. Diese kann man dann in eine Matrix mit den Begriffen »unwahrscheinlich« (links unten), »wahrscheinlich« (links oben), »harmlos« (rechts unten) und »schlimm« (rechts oben) einordnen und für alles, was rechts oben landet eine Erstreaktion, evtl. mit verschiedenen Alert-Levels, vorbereiten.
Kein Gesellschaftswechsel, sondern vielmehr ein Kulturwechsel
Was bedeutet das im Bereich Marketing? Wie beeinflusst das Web 2.0 die Werbung? Laut Dr. Torsten Ambs dreht sich unsere Welt in Twitter-Taktung – was nicht Timeline-kompatibel ist hat wenig Chancen, beachtet zu werden. Die Menschen sind multiple Persönlichkeiten auf verschiedenen Kanälen, nutzen diese parallel. Gleichzeitig haben sie Angst vor digitaler Demenz. Sie sind nomophob (NoMoPhobie – not mobile – die Angst vor dem Nicht-Erreichbar-Sein).
Darum will Ambs aufrütteln. Er sagt den Top-Managern und Marketing-Leitern, dass ein Umdenken unumgänglich ist. Die Zeit bleibt nicht stehen, Gesellschaft und Kultur ändern sich – überleben werden nur die, die das nicht ignorieren.
Wer mehr über Social Media Marketing erfahren will und bereit ist, sich aufrütteln zu lassen, der sollte sich auch einmal auf einen informationsreichen und ebenso unterhaltsamen Vortrags-Nachmittag des ManagementTrendForums begeben. Wie ich der anschließenden Gesprächsrunde entnehmen konnte, war er nicht nur für mich sehr spannend.