Nachdem Microsoft in den vergangenen Monaten das neue Erscheinungsbild von Windows, Windows Phone, Office, Outlook.com und der Xbox vorstellte, präsentierte man heute das neue Design des Konzerns – und bricht auf dem mutig begonnenen Weg kurz vor der Ziellinie ein.

Vom Telefon zum Computer

Es beginnt alles mit Windows Phone. Microsoft stellt ein völlig anderes Bedienkonzept für Smartphones vor, welches sich deutlich vom detailverliebten Icon-Konzept der Konkurrenten Android (Google) und iOS (Apple) unterscheidet. Entsprechend interessiert wird das Ganze von der Öffentlichkeit aufgenommen. Den nächsten mutigen – und cleveren – Schritt geht man, indem man ein gemeinsames Betriebssystem für die kommende Tablet-Generation wie auch Desktop-Computer entwickelt. Dabei werden die zentralen Bedienelemente aus Windows Phone weiterentwickelt, das alte Desktop-Prinzip zur »App innerhalb Windows« degradiert und sogar das Windows-Erkennungsmerkmal schlechthin, der Start-Button abgeschafft.
Gleichzeitig entfernt sich Microsoft von seiner geschwungenen Fenster-Form im Windows-Logo und lässt auch die Farben hinter sich. Es dominiert eine monochrome Optik, klare Linien und filigrane Schriftstärken.

Das »Modern UI« auf ganzer Linie

In diesem Stil erneuert Microsoft auch die nächsten großen Marken seiner Produktpalette. Office wird in die damals noch »Metro« genannte Optik gebracht, für die Bedienung mit dem Finger optimiert und sogar der E-Mail-Pionier »Hotmail« muss sich unterordnen. Dieser heißt von nun an »outlook.com« und greift die essentiellen Bestandteile des mittlerweile »Modern UI« genannten Programm- und Erscheinungsbilds auf. Selbst vor der Xbox macht Microsoft nicht halt. Sie verliert ihre 3D-Optik, wird plötzlich zweidimensional und einfarbig. Keine Schatten mehr, keine Verläufe: auch hier dominieren klare Formen und Linien.

Was als nächstes kommt ist also absehbar: die Marke »Microsoft«, die soeben die komplette Identität der wichtigsten Produkte in eine Linie gebracht hat, reiht sich in die Modernisierung des Erscheinungsbilds ein – und verliert dabei seine Eigenständigkeit nahezu völlig.

Konsequent – bis kurz vor Schluss

Microsoft tut etwas unerwartetes. Es versucht das altbekannte Windows-Logo, das gerade erst erfolgreich über Bord geworfen wurde, doch noch irgendwie mit in die Zukunft zu zerren, irgendwie die Bekanntheit der alten Erscheinung hinüber zu retten. Also werden die geschwungenen Linien des alten Signets begradigt, die Farben leicht angepasst und das Windows-(!)-Signet neben den überarbeiteten Microsoft-Schriftzug gestellt. Man bekommt beinahe den Eindruck Microsoft bräuchte Microsoft nicht mehr – zukünftig versammelt sich alles unter dem Windows-Symbol.

Doch Microsoft ist nicht nur Windows. Microsoft ist auch Office. Microsoft ist die Xbox. Microsoft ist Bing. Microsoft ist Hardware. Microsoft ist noch so viel mehr, von dem der Otto-Normal-Nutzer in seinem Alltag teilweise nicht einmal etwas mitbekommt. Plötzlich scheint Microsoft Windows zu sein.

Ich bin zugegebenermaßen kein Freund der Microsoft-Produkte. Aber die Konsequenz, mit der man in Redmond neue Wege gesucht hat, hat mich sehr neugierig gemacht. Während Apple abseits seines Produktdesigns immer noch bunter wird (nicht immer im positiven Sinne) ist Microsoft den anderen, entgegengesetzten Weg gegangen. Zu sehen, wie sie jetzt kurz vor dem Ziel der Mut verlässt, wie mit aller Kraft das alte Vierer-System aus Orange/Rot-Grün-Blau-Gelb am Leben gehalten wird, wie eine ehemals starke Wortmarke in eine Reihe mit unterschiedlichsten Produkten gestellt wird und so all ihre Kraft verliert, enttäuscht mich.

Schaden wird es trotzdem nicht

Nichts desto trotz wird Microsoft mit Windows 8 und Windows 8 Phone große Erfolge landen. Die Integration der verschiedenen Systeme wird so problemlos laufen wie nie zuvor (immer strengere Vorgaben seitens Microsoft werden dafür sorgen) und die IT-Administratoren, Vertriebler und Unterwegsarbeiter da draußen werden Windows-Microsoft-Produkte wieder mit offenen Armen empfangen. Eine stärkere Dachmarke hätte ich mir dann aber doch gewünscht.

Bildquelle: designtagebuch.de/das-neue-logo-von-microsoft